Geheimnisvolle Finger im Erdkern
22.05.2025
Wie Erdrotation und Magnetfeld Konvektionsmuster der obersten Schicht des äußeren Erdkerns ändern
22.05.2025
Wie Erdrotation und Magnetfeld Konvektionsmuster der obersten Schicht des äußeren Erdkerns ändern
Carolin Weber präsentiert ihr Poster bei der Mathematical Fluid Dynamics Advanced Summer School auf Korsika | © Carolin Weber
Tief im Inneren der Erde ist der äußere Erdkern ständig in Bewegung: flüssiges Eisen, durchsetzt mit einer geringen Menge anderer Elemente, konvektiert und lässt so unser Erdmagnetfeld entstehen. Aber im äußersten Bereich des Erdkernes scheint es Messungen zufolge stabile, ruhigere Schichten zu geben. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Temperatur dort nicht so schnell mit der Tiefe zunimmt, wie es für die Entstehung von Konvektion nötig ist (subadiabatische Temperaturschichtung). Trotz dieser stabilen Schichtung können dort winzige Bewegungen entstehen, die wie viele kleine Finger aussehen.
Die Entstehung von Fingerkonvektion
Fingerkonvektion ist eine spezielle Form der doppelt-diffusiven Konvektion, die zuerst in der Ozeanographie untersucht und beschrieben wurde. Diffusion ist die Bewegung von Teilchen von einem Bereich höherer Konzentration zu einem Bereich niedrigerer Konzentration, bis sie gleichmäßig verteilt sind. Doppelt-diffusiv bedeutet, dass die Dichte des Mediums von zwei verschiedenen Eigenschaften abhängt, die unterschiedlich schnell diffundieren: im Wasser des Ozeans sind dies typischerweise Temperatur und Salzgehalt. Wärme diffundiert im Wasser viel schneller als Salz. Wenn nun wärmeres, salzhaltigeres Wasser über kälterem, weniger salzhaltigem Wasser liegt und eine kleines Paket des wärmeren, salzhaltigeren Wassers leicht absinkt, gibt es seine Wärme schneller an das umgebende kältere Wasser ab, als der Salzgehalt sich ausgleichen kann: dieses Wasserpaket ist dann dichter als seine Umgebung und sinkt weiter ab, wobei ein langer, dünner Finger nach unten wächst. Das Gegenteil passiert mit aufsteigendem kaltem, weniger salzhaligem Wasser. So entstehen viele kleine, vertikale Strömungen, die wie Finger aussehen und Wärme und Salz vertikal transportieren.
Neuerdings wird Fingerkonvektion auch in der Astrophysik intensiv untersucht. Auch hier können Temperaturunterschiede und verschiedene Konzentrationen chemischer Elemente diese speziellen Konvektionsmuster anregen.
Rotation und Magnetfeld als Störfaktoren
Carolin Weber untersucht für ihre Doktorarbeit, ob das bereits vorhandene Wissen über Fingerkonvektionen direkt auf den Erdkern übertragen werden kann. Sowohl die Rotation der Erde als auch ihr Magnetfeld können diese Bewegungen beeinflußen. Dies macht die Berechnung für den Erdkern weitaus komplizierter. Auf der Mathematical Fluid Dynamics Advanced Summer School (31 März - 12 April 2025 in Cargèse, Korsika) präsentierte Carolin die Ergebnisse ihrer ersten Berechnungen und Computersimulationen: die Rotation der Erde und ihr Magnetfeld verändern deutlich die Form der Finger und wie schnell sie wachsen.
Simulationen enthüllen: Schräge Finger und veränderter Materialtransport
Bei einem starken Magnetfeld sind die dominanten Fingerbewegungen nicht mehr nur rein auf- und abwärts gerichtet und ähneln auch nicht mehr runden Fingern, sondern sehen eher wie schräge dünne Scheiben oder Blätter aus. Dies führt dazu, dass der Material- und Wärmetransport durch Finger im äußeren Kern nicht mehr ausschließlich vertikal stattfindet. Auch die Geschwindigkeit, mit der diese Blätter wachsen, wird langsamer, je stärker das Magnetfeld ist und je näher man zum Äquator kommt.
Neue Formen der Bewegung im äußeren Kern
Kurz gesagt: Die Rotation der Erde und vor allem ein starkes Magnetfeld "kippen" und verlangsamen diese winzigen Bewegungen im Erdkern, sodass der Materialtransport komplizierter wird als nur ein einfaches Auf und Ab. Die Form der Bewegungen ändert sich von "Fingern" zu eher "blättrigen" Strukturen.
Was bedeuten die blättrigen Finger für das Erdmagnetfeld?
Als Nächstes möchte Carolin herausfinden, wie diese kleinen Finger die Entstehung größerer Strukturen im Erdkern beeinflussen können. Sie möchte besser verstehen, wie sich diese stabile Schicht über sehr lange geologische Zeit verändert und wie sie den Geodynamo und damit das Magnetfeld der Erde beeinflusst.
Magneto-rotating finger convection in stable layers at the top of Earth’s core
Carolin Weber, Stephan Stellmach
Institute of Geophysics, University of Münster
While most of the Earth’s fluid outer core is vigorously convecting, there is evidence for a stably stratified layer at its very top. This stable layer is often assumed to be a result of a sub-adiabatic thermal stratification, which overcompensates a destabilizing compositional gradient. In such a scenario, small scale double-diffusive modes known as finger instabilities are likely to be excited. Fingering convection has been studied extensively in oceanography and more recently in astrophysics, but little work has been done so far in the context of planetary cores, where both rotational and magnetic effects complicate the dynamics. In this study, we investigate whether or not the pre-existing knowledge on finger convection can be directly applied to the Earth’s core. Our linear stability analysis, confirmed by some first direct numerical simulations, reveals that both the morphology and the growth rates of the fingers are significantly affected by the combined effect of rotation and magnetic field. For a large range of latitudes, we observe a shift away from purely vertically moving, horizontally isotropic fingers to tilted, sheet-like structures. We are currently investigating what implications this has for possible large-scale structure formation. The final goal is to contribute to a better understanding of the internal dynamics within the stably stratified layer, such that its evolution over geological time scales and its effect on the geodynamo becomes clearer.
Magneto-rotating finger convection in stable layers at the top of Earth’s core. Carolin Weber, Stephan Stellmach. Mathematical Fluid Dynamics Advanced Summer School 2025, Cargèse, Corsica, March 31 - April 12 2025.